Sowohl die Wirtschaftsdaten als auch die Märkte weisen weiterhin in entgegengesetzte Richtungen: Die Aktienmärkte scheinen einen Aufschwung einzupreisen und die Rentenmärkte eine Rezession.
Die jüngsten Einkaufsmanagerindizes (EMI) zeigen, dass sich die Tätigkeit des Dienstleistungssektors in den USA beschleunigt: Der entsprechende Index hat den höchsten Stand seit einem Jahr erreicht. Der Index des verarbeitenden Gewerbes sank dagegen unter 50, was auf eine Schrumpfung hindeutet (Diagramm 1). Die Zahl der Baubeginne stieg im vergangenen Monat, während die Verkäufe bestehender Häuser zurückgingen. Diese Spaltung ist auch an den Märkten zu beobachten, wo die Aktienkurse in diesem Jahr gestiegen sind und die invertierte Renditekurve vor einer Rezession warnt.
Letztlich hängt alles von der Inflation ab. Wie schnell wird sie sich auf die Ziele der Zentralbank zubewegen, und was wird nötig sein, um diese Ziele zu erreichen? Zumindest scheint es keine Bedenken im Hinblick auf die Inflationserwartungen des Marktes für die Zukunft zu geben. Die langfristigen (5-jährigen) Inflationserwartungen bleiben trotz der Turbulenzen in der Welt in den letzten 18 Monaten bei etwa 2,5 % verankert, während die Einjahresprognosen nahe den jüngsten Tiefstständen liegen (Diagramm 2).
Wenn diese Inflationsprognose mit einer „sanften Landung“ einhergeht und die US-Notenbank (Fed) die Leitzinsen bis Ende des Jahres um 75 bis 100 Basispunkte senkt, wie die Märkte ebenfalls erwarten, dürften sich die Aktien weiterhin gut entwickeln. Nach den positiven Überraschungen in der Gewinnsaison des ersten Quartals haben die Analysten ihre Gewinnschätzungen sogar noch weiter angehoben. Für den S&P 500 wird ein Anstieg des Gewinns je Aktie (EPS) um 5 % in diesem Jahr und um 13 % im nächsten Jahr prognostiziert (ohne Energie).
Neben den Sorgen um die US-Schuldenobergrenze gibt es jedoch weitere Gründe, dem derzeitigen Optimismus am Aktienmarkt skeptisch gegenüberzustehen.
Erstens sind Prognosen über solch starke Senkungen der Leitzinsen möglicherweise nicht realistisch, wenn sie nicht mit einer stärkeren Verlangsamung des Wachstums einhergehen (man denke an die Renditekurve; der Index der führenden Wirtschaftsindikatoren befindet sich ebenfalls auf einem Niveau, das in der Vergangenheit auf eine Rezession in den kommenden Monaten hindeutete). Da die Arbeitslosenquote in den USA bei 3,4 % liegt und die Jahreslöhne von 4,4 % (durchschnittlicher Stundenlohn) auf 6,1 % (Atlanta Fed wage tracker) gestiegen sind, ist es unwahrscheinlich, dass die Inflation im Dienstleistungssektor schnell genug zurückgehen wird.
Darüber hinaus ist die starke Performance der US-Aktien in diesem Jahr fast ausschließlich auf den Technologiesektor zurückzuführen (Diagramm 3). Mehr als die Hälfte der Indexrendite entfiel auf Apple, Microsoft und NVIDIA. Wenn wir die Technologie ausklammern, ist der Markt sogar um 2 % gefallen.
Die Gründe für die Outperformance des Technologiesektors liegen eher in den gesunkenen Leitzinserwartungen (die das Kurs-Gewinn-Verhältnis in die Höhe treiben) und den besser als erwartet ausgefallenen Gewinnen als in der Begeisterung für die Künstliche Intelligenz (KI). Die entscheidende Frage ist, ob diese Outperformance anhalten kann.
Wir halten das für unwahrscheinlich. Die Prognosen für die Leitzinsen dürften eher steigen als sinken, und wir rechnen nicht mit einem weiteren Quartal, in dem die Gewinne die Erwartungen in gleichem Maße übertreffen. Angesichts der kumulativen Auswirkungen der Zinserhöhungen der Fed und des nachlassenden Kreditwachstums infolge der Turbulenzen im Regionalbankensektor könnten die Gewinne des S&P 500 eher enttäuschen.
Die guten Renditen der US-Technologiewerte erklären auch einen Teil der schwachen Performance der Schwellenländeraktien gegenüber den Aktien der Industrieländer, trotz der Erwartung, dass die wirtschaftliche Öffnung Chinas den seit langem benötigten Aufschwung bringen würde (Diagramm 4).
Die oben beschriebene Unterstützung für US-Technologiewerte fehlte in den Schwellenländern, insbesondere in China. Die Leitzinserwartungen sind nicht gesunken, und der Sektor verzeichnete im letzten Quartal ein negatives Gewinnwachstum im Vergleich zum Vorjahr und enttäuschte die Erwartungen.
Der unterschiedliche Konjunkturverlauf dürfte jedoch letztendlich zu einer Divergenz beim Ertragswachstum führen, wobei China und die übrigen Schwellenländer die Industrieländer überflügeln dürften.
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