Der Einkaufsmanagerindex (EMI) für das zweite Quartal deutet darauf hin, dass der steile Zinserhöhungszyklus der führenden Zentralbanken die Wirtschaftstätigkeit bremsen könnte.
Die Verlangsamung ist im Produktionssektor ausgeprägter, das in den meisten Volkswirtschaften durch EMIs eine rückläufige Wachstumsentwicklung signalisierte (siehe Diagramm 1). Dies trifft eher auf Europa und die USA zu als auf Asien. Die EMIs im Dienstleistungssektor deuten nach wie vor überwiegend auf ein Wachstum hin, obwohl auch hier Aktivität nachlässt.

In den kommenden Monaten wird der Einkaufsmanagerindex Aufschluss darüber geben, ob es sich nur um einen vorübergehenden Rückgang handelt oder ob die geldpolitische Straffung letztendlich für eine Nachfrageverlangsamung sorgt.
Geografisch gesehen scheint es Asien besser zu gehen. Der europäische Einkaufsmanagerindex ist seit Juni schwach und das verarbeitende Gewerbe schrumpft, – vor allem in Deutschland. Das Wachstum des Dienstleistungssektors in Frankreich, Deutschland und dem Vereinigten Königreich hat nachgelassen. Auch die US-Daten haben sich abgeschwächt.
Infolgedessen ist der Preisdruck im verarbeitenden Gewerbe zurückgegangen und hat sich im Dienstleistungssektor umgekehrt, was durch einen Rückgang der Energiepreise und eine Verbesserung der Lieferketten begünstigt wurde.
Weitere Anzeichen für eine Verlangsamung der Inflation sind der Rückgang des US-Beschäftigungskostenindex auf 4,5 % ggü. Vj. im Juli gegenüber 4,9 % im Juni. Dazu kommt der Rückgang des Kernindex der persönlichen Verbrauchsausgaben – die von der Fed am genauesten überwachte Inflationsrate – gegenüber Mai um 0,5 auf 4,1 % im Juni. In Europa ging die Gesamtinflation im Juli auf 5,3 % ggü. Vj. zurück, die Kerninflation verharrte jedoch bei 5,5 % und war damit mehr als doppelt so hoch wie der Zielwert der EZB.
Die jüngste US Senior Loan Officer Survey ergab, dass die Banken ihre Kreditvergabestandards weiter verschärft haben (siehe Diagramm 2), was die Wirtschaftstätigkeit noch stärker bremsen dürfte. In Europa zeigen der Wohnungsbau und die Unternehmensinvestitionen, zwei der zinsempfindlichsten Sektoren, angesichts der sich verschärfenden finanziellen Bedingungen Anzeichen von Schwäche.

Höchststand der Zinsen?
Die Verlangsamung des Wachstums und der nachlassende Inflationsdruck sollten für die Entscheidungsträger der Zentralbanken eine willkommene Nachricht sein, reichen aber unserer Meinung nach nicht aus, um die Zentralbanker zu veranlassen, ihre Inflationsbekämpfungspolitik aufzugeben. Die US-Notenbank und die EZB haben sich bisher die Tür für weitere Zinserhöhungen offengehalten.
Nach den erwarteten Zinserhöhungen um 25 Basispunkte auf den letzten geldpolitischen Sitzungen gaben weder die Fed noch die EZB klare Hinweise auf künftige Zinsschritte. Sie bekräftigten, dass ihr Vorgehen von der Konjunkturentwicklung abhängt und dass sie die Geldpolitik so lange straff halten werden, wie es nötig ist, um die Kerninflation auf das Zielniveau von 2 % zu senken.
Maßnahmen des chinesischen Politbüros
Der Ausblick für die Märkte der Industrieländer hängt teilweise von den Wachstumsaussichten Chinas ab. Drei Jahre restriktive Null-Covid-Politik und ein nach wie vor schwer angeschlagener Immobilienmarkt haben die Investitionen des privaten Sektors in China gebremst und die Kauflaune gedämpft. Das Wachstum der Investitionen des privaten Sektors ist seit 2021 stetig gesunken (siehe Diagramm 3). Dies hat den Aufschwung nach der Pandemie zunichtegemacht, so dass sich das BIP-Wachstum im zweiten Quartal auf 3,2 % gegenüber dem Vorquartal abschwächte, nach 9,1 % im ersten Quartal.

Die Wachstums- und Marktaussichten Chinas hängen davon ab, dass Peking schnell und entschlossen handelt, um die Wirtschaftstätigkeit und das Vertrauen zu stärken, bevor sich der derzeit vorherrschende Pessimismus verfestigt. Vor diesem Hintergrund sind die unterstützenden Botschaften der Sitzung des Politbüros vom 24. Juli ermutigend. Sie haben auf dem Markt die Erwartung geweckt, dass das Politbüro sich bemühen könnte, eine weitere Abschwächung des BIP-Wachstums zu verhindern.
Der Tonfall des Politbüros, insbesondere die Streichung der Aussage ‚Wohnimmobilien sollen zum Leben dienen, nicht zur Spekulation’, ist wichtig. Wenn dies das Verbrauchervertrauen stärkt und den Immobilienmarkt kurzfristig ankurbelt, könnte es zu einer Neubewertung der chinesischen Aktien kommen. Bisher war die Reaktion der Märkte auf die Sitzung des Politbüros positiv.
Die größte Ungewissheit ist jedoch der Zeitpunkt und das Ausmaß der Maßnahmen des Politbüros. Wenn sie nicht energisch genug umgesetzt werden, um das Vertrauen wiederherzustellen und die Probleme des Immobilienmarktes zu lindern, könnte sich die Stimmung der Investoren schnell wieder verschlechtern, unabhängig von der Höhe der (zusätzlichen) Liquidität im System.
Ein alternatives Szenario
Unser Basisszenario geht davon aus, dass das chinesische BIP in diesem Jahr um 5,3 % und im Jahr 2024 um 5,0 % wachsen wird. Dabei dürfte die Inflation deutlich unter 3 % jährlich bleiben. Aufgrund des schwachen Vertrauens und des angeschlagenen Immobilienmarktes besteht jedoch ein nicht zu vernachlässigendes Risiko, dass China sein 5,0 %-Ziel verfehlt. Wenn dies zu einem ‚Schmerzpunkt’ wird, der die Nerven Pekings berührt, könnte es zu noch energischeren politischen Maßnahmen führen, als es derzeit erwartet wird.
Die jüngsten Maßnahmen und Erklärungen scheinen zu zeigen, dass Peking sich diesem Schmerzpunkt nähern könnte. Es ist davon auszugehen, dass das Wachstum stärker angekurbelt wird, was einen nachhaltigen Aufschwung der chinesischen Aktien in den kommenden Monaten unterstützen würde.
Angesichts der Herausforderungen, mit denen die Aktienmärkte der Industrieländer konfrontiert sind, sieht unser Multi-Asset-Anlageausschuss ein größeres Potenzial in den Schwellenländern, insbesondere in den asiatischen Schwellenländern und China. Er stellt fest, dass die jüngsten Maßnahmen Pekings den Spielraum für weitere Zuwächse verdeutlichen, wenn weitere Schritte zur Unterstützung des Immobilienmarktes und des Binnenkonsums folgen.
Die Bewertungen chinesischer Aktien erscheinen uns trotz der negativen Anlegerstimmung interessant. Die prognostizierte Gewinnwachstumsrate für den MSCI China im Jahr 2024 liegt bei 15 %, was zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass die Gewinne während der Lockdowns gedrückt wurden. Auch wenn dies unserer Ansicht nach zu hoch ist, erwarten wir dennoch, dass die realisierten Gewinne in den asiatischen Schwellenländern schneller wachsen werden als in Europa und den USA.
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