Diese Woche wurden die Schlagzeilen weltweit von der Geopolitik beherrscht, so dass die Volatilität in die Höhe schnellte. Die Anleger versuchen, anhand vergangener Krisen herauszufinden, wie lange die Marktschwankungen anhalten werden und wann sie nachlassen könnten. Ein wesentlicher Faktor bleibt für risikobehaftete Anlagen auf mittlere Sicht die Perspektive, dass die wichtigsten Zentralbanken ihre Leitzinsen anheben und die während der Pandemie zur Verfügung gestellte Liquidität reduzieren.
Die Anleger rechnen zunehmend damit, dass die führenden Zentralbanken Maßnahmen zur Bekämpfung der steigenden Inflation in Europa und den USA ergreifen werden. Die Inflation in der Eurozone stieg im Januar auf 5,1 %, einen Wert, den sie seit mehreren Jahrzehnten nicht erreicht hatte, während die Inflation in den USA mit mehr als 7,0 % ebenfalls ihren höchsten Wert seit mehreren Jahrzehnten verzeichnete.
Die angespannten Arbeitsmärkte gelten als ein Grund für den Inflationsdruck; sie bringen die Zentralbanken dazu, von einer allmählichen Normalisierung der Geldpolitik zu einer aggressiven Straffung überzugehen.
Ein weiterer Grund für die höhere Inflation sind die steigenden Kosten für Energie und Rohstoffe, denn die Märkte befürchten, dass das Angebot durch den Konflikt an der östlichen Grenze Europas eingeschränkt werden könnte.
Die erwarteten Zinserhöhungen zunehmend im Fokus …
Die EZB gab zu verstehen, dass ihre Toleranz gegenüber der höheren Inflation nachlässt und sie deshalb ihre Pandemie-bedingten Maßnahmen schneller zurückfahren könnte. Der Gouverneursrat schlug einen aggressiven Ton an, und sein Fokus auf Flexibilität und Optionalität gibt der EZB die Möglichkeit, bei Bedarf bei jeder Sitzung beliebige Entscheidungen zu treffen.
Im Vergleich zum Dezember letzten Jahres sprach EZB-Präsidentin Christine Lagarde im Januar von erhöhten Sorgen um die Inflation, indem sie betonte, das Inflationsrisiko würde zunehmen. Sie argumentierte, dass sich die Inflation jetzt dem Ziel der EZB nähere. Die Möglichkeit von Zinserhöhungen im weiteren Jahresverlauf schloss sie nicht aus.
Unser makroökonomisches Researchteam hat daher den erwarteten Zeitpunkt für das Ende des Anleihekaufprogramms der EZB vom ersten Quartal 2023 auf September vorverlegt und seinem Ausblick eine Zinserhöhung um 25 Bp im Dezember hinzugefügt (zuvor wurde in Q4 2023 mit einer ersten Zinsanhebung gerechnet). Das Team rechnet jetzt im Jahr 2023 mit drei Zinserhöhungen um jeweils 25 Bp, so dass der Einlagenzins Ende 2023 bei 0,5 % liegen würde.
… wenn die Geldpolitik nicht sogar über das Ziel hinausschießt
In den USA hat die hohe Verbraucherpreisinflation im Januar die Angst des Marktes vor einer aggressiveren Straffung der Geldpolitik durch die Federal Reserve angefacht. Ein Teil der Anleger macht sich inzwischen Sorgen, dass die Fed ihre Geldpolitik zu stark straffen und das BIP-Wachstum beeinträchtigen könnte, insbesondere angesichts einer weniger stützenden Geldpolitik als im vergangenen Jahr. Die Indikatoren für die finanziellen Bedingungen in den USA, insbesondere der Hypothekenzinssatz, haben sich verschlechtert. Beim Hypothekenzinssatz handelt es sich wahrscheinlich um den wichtigsten Kanal zur Übertragung der Geldpolitik an die US-Volkswirtschaft.
Das Protokoll der Sitzung des Offenmarktausschusses der Fed (FOMC) zeigte, dass die geldpolitischen Entscheidungsträger bereit sind, die akkommodierende Geldpolitik ‚schon bald‘ einzustellen und dass mit einer schnelleren Straffung gerechnet werden muss als während des Zyklus von 2015. Aus dem Protokoll ließ sich nicht entnehmen, ob die im März erwartete Zinserhöhung 25 oder 50 Bp betragen würde, der Ton des Protokolls ließ allerdings auf eine ‚flexible‘ Fed schließen.
Wir rechnen damit, dass die Fed im März mit einer Zinserhöhung um 25 Bp beginnen wird und halten es für möglich, dass sie bei jeder FOMC-Sitzung dieses Jahres eine Zinserhöhung vornimmt.
Abweichende Entwicklung in China
Während die Inflation in den Industrieländern ihre höchsten Werte seit mehreren Jahrzehnten erreicht, ging sie in China weiter zurück: Dort stiegen die Verbraucherpreise im Januar um nur 0,9 %. Die chinesische Inflation ist derzeit die niedrigste im asiatischen Raum, und die Erzeugerpreisinflation sinkt rapide.
Die Differenz zwischen der Verbraucherpreisinflation in China und den USA hat sich entsprechend auf -6,6 Prozentpunkte erweitert; es handelt sich um die größte negative monatliche Differenz seit Anfang der 1980er Jahre.
Das zeigt, wie unterschiedlich die Geldpolitik in den größten Volkswirtschaften der Welt ist. Die People’s Bank of China kündigte angesichts des schwachen Wachstums weitere geldpolitische Lockerungsmaßnahmen an. Die Behörden passen sogar ihre Maßnahmen für den Immobilienmarkt und die Null-Covid-Politik an, um dem geringen Wachstum entgegenzuwirken.
Die Schließung des chinesischen Kapitalkontos dürfte helfen, die Auswirkungen dieser Abweichung der Geldpolitik auf den Renminbi einzuschränken. Die Währung strafte die Erwartungen des Marktes Lügen, dass sie durch eine Verengung des Renditeabstands zwischen China und den USA geschwächt würde.
Die Zentralbank hat im Gegenteil in der jüngsten Zeit am Devisenmarkt interveniert, um die Stärke des Renminbi zu dämpfen. Das erhöht die Liquidität des chinesischen Systems und ergänzt andere geldpolitische Lockerungsmaßnahmen zur Förderung des Wachstums.
Während der US-Aktienmarkt in den nächsten Monaten mit der geldpolitischen Straffung der Zentralbank fertig werden muss, scheint sich für die chinesischen Aktien ein günstiges Liquiditätsumfeld abzuzeichnen, das der Erholung des Marktes zuträglich sein dürfte.
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