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Wöchentliches Markt-Update - Werden die Zentralbanken weiter über die Rezessionsrisiken hinwegsehen?

chi lo
By CHI LO 11.08.2022

In diesem Artikel

    Weltweit straffen Zentralbanken aggressiv ihre Geldpolitik, um die höchste Inflation seit Jahrzehnten einzudämmen. Weiterhin besteht die Sorge einer wirtschaftlichen Rezession. In den USA scheint sich diese Entwicklung etwas zu verlangsamen. Jedoch ist die Inflation so hoch, dass Zentralbanken ihre geplanten Zinserhöhungen nicht aussetzen dürften. Zudem stehen wahrscheinlich kurzfristig risikoreichere Anlagen unter enormen Druck.

    Die USA erleben eine technische Rezession – definiert als zwei Quartale in Folge mit negativem Wachstum. Insgesamt ist die gesamtwirtschaftliche Lage aber noch immer gut. Vor allem der stabile Arbeitsmarkt ist ein Grund dafür, dass die Anlegerinnen und Anleger bis Ende des Jahres mit einer weiteren Straffung durch die US-Notenbank (Fed) rechnen.

    Uneinheitliche Signale in den USA

    Die US-Verbraucherpreisinflation stieg im Juli auf 8,5 % zum Vorjahr. Dies war weniger als die 9,1 % im Juni, die die Fed erst vor zwei Wochen dazu veranlassten, die Zinsen um beachtliche 75 Basispunkte (Bp) anzuheben. Die VPI-Kernrate blieb mit 5,9 % zum Vorjahr hoch.

    Die bevorzugte Kennzahl der Fed, der Index der privaten Konsumausgaben (PCE), war im Juni um 6,8 % zum Vorjahr gestiegen, so stark wie zuletzt 1981. Der Kern-PCE-Index erhöhte sich auf 4,8 % nach 4,6 % im Mai, mehr als das Doppelte der Zielrate der Fed von 2 %.

    Zugleich bleibt die Lage am US-Arbeitsmarkt angespannt. Die US-Beschäftigung (ohne Landwirtschaft) ist um 528.000 gestiegen – mehr als das Doppelte der Markterwartungen. Die durchschnittlichen Stundenlöhne wiederum haben sich um starke 0,5 % zum Vormonat erhöht. Die stündliche Gesamtvergütung im zivilen Bereich stieg im 2. Quartal um 5,1 % zum Vorjahr; dies war der stärkste Anstieg seit 1990. Der Wage Growth Tracker der Atlanta Fed zeigt, dass die durchschnittlichen Stundenlöhne in den letzten zwölf Monaten um 7,5 % geklettert sind.

    Was die Fed betrifft, so ist ihr zweifaches Mandat – Preisstabilität und Vollbeschäftigung – in Gefahr. Die Inflation dürfte geraume Zeit über der Zielmarke bleiben. Es herrscht mehr als Vollbeschäftigung, und nachdem die Inflation drei Jahre über der Zielmarke lag, fallen die Lohnforderungen entsprechend höher aus.

    Dennoch ist eine gewisse Schwäche zu beobachten, die aufgrund der aggressiven Straffung durch die Fed wenig überraschend Rezessionsängste weckt. Den Vorabschätzungen zufolge ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der USA im 2. Quartal 2022 um annualisiert 0,9 % gesunken, nach einem Minus von 1,6 % im 1. Quartal. Allgemein schwach entwickelten sich der Konsum, die Investitionen von In- und Ausländern, die Lagerbestände und die Staatsausgaben.

    Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe haben zugenommen, erreichen aber noch kein besorgniserregendes Niveau. Um Kosten zu senken und sich auf eine mögliche Rezession vorzubereiten, haben Unternehmen quer durch alle Sektoren vom zyklischen Konsumgüter- bis zum Automobilsektor Mitarbeitende entlassen und Einstellungsstopps verhängt. Die Angst um den eigenen Arbeitsplatz hat das Konsumklima getrübt – um 2,7 Prozentpunkte zum Vormonat auf 95,7 im Juli, im Vergleich zur Konsenserwartung von 97,0.

    Der Einkaufsmanagerindex (PMI) für das Dienstleistungsgewerbe, eine Kennzahl für die Geschäftsaktivität im Dienstleistungssektor, sank von 52,7 im Juni auf nur noch 47 im Juli (was eine Schrumpfung anzeigt). Der umfassendere ISM-Index für den Dienstleistungssektor lag indes weiterhin im Expansionsbereich. Die Ergebnisse der regionalen Umfrage der Philadelphia Fed im verarbeitenden Gewerbe für Juli fielen deutlich schwächer aus. Nach einem Gesamtrückgang um insgesamt 11 % im April und Mai brachen die Verkäufe neuer Häuser im Juni erneut um 8,1 % zum Vorjahr ein. Dies war eine Reaktion auf den spürbaren Anstieg der Hypothekenzinsen.

    Lage in Großbritannien und Europa nicht anders

    Der Schock durch den Krieg in der Ukraine hat die Angebotssituation radikal verändert und die Inflation angefacht, woraufhin die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of England (BoE) kürzlich die Zinsen um jeweils 50 Bp erhöht haben.

    Die VPI-Inflation in der Eurozone kletterte im Juli, getragen von der Teuerung von Lebensmitteln und Kernprodukten, auf das neue Rekordhoch von 8,9 % zum Vorjahr. Der Anstieg der VPI-Inflation um 0,3 Prozentpunkte war ein Zeichen für den auf breiterer Front wachsenden Inflationsdruck.

    Die Zinserhöhung der EZB war die erste seit elf Jahren. Die Bank erklärte, dies sei eine vorgezogene Maßnahme, die es ihr ermöglichen werde, Leitzinsbeschlüsse künftig „von Sitzung zu Sitzung“ zu fassen. Die BoE bekräftigte, sie sei auch im Falle einer Rezession bereit, „bei Bedarf energisch“ zu handeln und die Zinsen weiter zu erhöhen, falls der Inflationsdruck andauern sollte.

    Das BIP-Wachstum in der Eurozone war im 2. Quartal dank der Aufhebung der Covid-Beschränkungen mit annualisiert 2,8 % zwar stärker als erwartet, die häufig veröffentlichten Daten wiesen jedoch nach wie vor auf eine Schwäche hin.

    Laut Daten der Europäischen Kommission gaben das Konsum- und das Geschäftsklima nach dem Beginn des Konflikts in der Ukraine auf Rekordtiefs nach. Der deutsche ifo-Index fiel im Juli auf ein 25-Jahrestief, weil die Angst wuchs, dass Unterbrechungen der Gaslieferungen die Wirtschaft belasten würden.

    Der Markt geht davon aus, dass die EZB ihre Geldpolitik auch im Jahr 2023 weiter straffen wird, wenngleich in einem moderateren Tempo als im Juli.

    Auch China bereitet Sorgen

    Der Konjunkturabschwung in China greift auf andere große Volkswirtschaften wie Deutschland und Südkorea über. Diese Länder weisen traditionell Handelsbilanzüberschüsse im Handel mit China aus, in letzter Zeit aber ungewohnte Defizite (siehe Diagramm 1).

    Chinas Rolle als größter Rohstoffimporteur der Welt verschleiert häufig, dass das Land auch viele Fertigwaren und Investitionsgüter für den Verbrauch und die Weiterverarbeitung im eigenen Land einführt. Geringere Importe durch China verstärken die Sorge des Marktes, dass die Entwicklung des Handels zu einer globalen Rezession beitragen könnte.

    Überzeugende Belege notwendig

    Die Rezessionsängste scheinen die großen Zentralbanken allerdings nicht davon abzuhalten, entschlossen gegen die Inflation vorzugehen. Unserer Ansicht nach sind die Anleihemärkte zu früh von Inflations- auf Wachstumsbedenken umgeschwenkt. Die Fed und die EZB werden zuerst überzeugende Belege sehen wollen, dass sich die Inflation wieder in Richtung der Zielmarken bewegt, ehe sie ihren Kurs korrigieren. Solche Belege könnten unter anderem mehrere Monate mit einer rückläufigen Inflation und eine Entspannung der Lage am Arbeitsmarkt sein. 

    Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell hat offen erklärt, dass das Risiko einer beharrlichen Inflation größer ist als die Rezessionsgefahr. Er sagte, „das Wachstum und die Arbeitsmarktentwicklung müssen sich verlangsamen.“ Deshalb könnte der Abschwung zwar dazu führen, dass die Geldpolitik langsamer gestrafft wird; sehr bald beenden oder umkehren dürfte er die Straffung jedoch nicht.

    Auswirkungen für Anlegerinnen und Anleger

    In diesem Kontext geben wir Rohstoffen weiterhin den Vorzug. Da die Preise für 80 % des Rohstoffkomplexes seit dem letzten Höchststand um mehr als 20 % gesunken sind, sehen wir aus Bewertungsgründen attraktive Chancen, unser taktisches Engagement zu erhöhen. Wir sind der Auffassung, dass Rohstoffe, unterstützt durch fundamentale Faktoren, weiterhin profitieren dürften.

    Europäische Investment-Grade-Unternehmensanleihen haben wir auf „Bevorzugen“ heraufgestuft, da die schwierige Lage in dem Segment nun offenkundig ist und die Bewertungen zunehmend attraktive Chancen zu bieten scheinen.

    Europäische IG-Anleihen scheinen eine implizite Ausfallrate von 8 % – 10 % einzupreisen – dies ist das Doppelte der schlechtesten Rate der letzten fünf Jahre und das Achtfache des historischen Durchschnitts. In Anbetracht der von uns erwarteten leichten Korrektur – vergleichbar mit 2001 – und der weitgehend soliden Unternehmensfinanzen erscheint uns dies zu düster.

    Haftungsausschluss

    Bitte beachten Sie, dass diese Artikel eine fachspezifische Sprache enthalten können. Aus diesem Grund können sie für Leser ohne berufliche Anlageerfahrung nicht geeignet sein. Alle hier geäußerten Ansichten sind die des Autors zum Zeitpunkt der Veröffentlichung und basieren auf den verfügbaren Informationen, womit sie ohne vorherige Ankündigung geändert werden können. Die einzelnen Portfoliomanagementteams können unterschiedliche Ansichten vertreten und für verschiedene Kunden unterschiedliche Anlageentscheidungen treffen. Der Wert von Anlagen und ihrer Erträge können sowohl steigen als auch fallen und Anleger erhalten ihr Kapital möglicherweise nicht vollständig zurück. Investitionen in Schwellenländern oder spezialisierten oder beschränkten Sektoren können aufgrund eines hohen Konzentrationsgrads, einer größeren Unsicherheit, weil weniger Informationen verfügbar sind, einer geringeren Liquidität oder einer größeren Empfindlichkeit gegenüber Änderungen der Marktbedingungen (soziale, politische und wirtschaftliche Bedingungen) einer überdurchschnittlichen Volatilität unterliegen. Einige Schwellenländer bieten weniger Sicherheit als die meisten internationalen Industrieländer. Aus diesem Grund können Dienstleistungen für Portfoliotransaktionen, Liquidation und Konservierung im Namen von Fonds, die in Schwellenmärkten investiert sind, mit einem höheren Risiko verbunden sein. Private Assets sind Anlagemöglichkeiten, die über öffentliche Märkte wie Börsen nicht verfügbar sind. Sie ermöglichen es Anlegern, direkt von langfristigen Anlagethemen zu profitieren, und können Zugang zu spezialisierten Sektoren oder Branchen wie Infrastruktur, Immobilien, Private Equity und anderen Alternativen bieten, die mit traditionellen Mitteln schwer zugänglich sind. Private Assets bedürfen jedoch einer sorgfältigen Abwägung, da sie in der Regel ein hohes Mindestanlageniveau aufweisen und komplex und illiquide sein können.

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